8 aufschlussreiche Antworten zum Impfstoff gegen Covid-19
Große Hoffnung lag in den letzten Monaten auf der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Covid-19. Viele haben warnend die Stimme erhoben: „Das wird noch ein wenig dauern.“ Jetzt – so scheint es – ist es so weit. Dr. Joachim Seipelt, Biotechnologie-Experte, beantwortete uns im Interview acht brennende Fragen rund um das Thema Covid-19-Impfstoff.
Es gibt seit kurzem vielversprechende Daten von verschiedensten Unternehmen, dass ein Impfstoff schon bald zur Verfügung stehen wird. Wie schnell geht es denn jetzt wirklich?
Dr. Joachim Seipelt: Zu Beginn muss man sagen, dass die Impfstoff-Entwicklung im Fall von Corona hervorragend schnell funktioniert hat. Im Vergleich zu normalen Impfstoff-Entwicklungen ist alles extrem schnell gegangen.
Es ist richtig, es gibt es schon von mehreren Kandidaten – AstraZeneca, Moderna, Pfizer – Daten aus den Phase III-Studien. Allerdings sind diese Daten momentan nur Presseaussendungen und noch keine wissenschaftlich harten Daten. Zumindest für die Öffentlichkeit sind sie noch nicht verfügbar. Bei Impfstoffen ist ein großes Thema die Produktion der entsprechenden Menge an Impfstoffen – so auch in diesem Fall.
Die beteiligten Firmen haben vernünftige Aussagen gemacht, wieviel sie glauben produzieren zu können. Wenn ich mich nicht irre hat Pfizer angekündigt, sie können nächstes Jahr 1 Milliarde Dosen herstellen. Das klingt extrem viel. Ist – wenn man sich die Weltbevölkerung ansieht – aber im Endeffekt eigentlich gar nicht so viel. Wenn man diese Zahl umrechnet, sind dass nur noch 100 Millionen pro Monat. Die Produktion der Impfdosen ist somit eine besonders große Herausforderung in diesem Zusammenhang.
Die Entwicklung eines Impfstoffes dauert im Normalfall bis zu 10 Jahren. Im Fall von Covid-19 ist das jetzt sehr schnell gegangen. Warum ist das so?
Dr. Joachim Seipelt: Im Prinzip ja. Der Grund warum die Entwicklung in diesem Fall so besonders schnell war, ist, dass man bei einer traditionelle Impfstoff-Entwicklung alle Schritte hintereinander ausführt. Zuerst eine präklinische Entwicklung1 mit den entsprechenden Versuchen in Tiermodellen, in Zellkulturmodellen und anderem. Dann geht man in Klinische Forschung – nach einander werden Phase I, Phase II und Phase III absolviert. Das macht man, um das Risiko der Entwicklung zu minimieren. Im Anschluss geht man zur Zulassungsbehörde. Bekommt man die Zulassung, kann man mit seinem Produkt auf den Markt gehen. Das Ganze dauert für gewöhnlich relativ lange, mehrere Jahre.
Im Fall der Coronavirus-Impfstoffe sind alle diese Prozesse sehr stark überlappend gemacht worden. Das birgt für die beteiligten Firmen natürlich ein gewisses Risiko. Sie spekulieren darauf, dass die Phase III erfolgreich verläuft. Aber aufgrund dieser Vorgehensweise ist es gelungen, diesen Prozess zu verkürzen.
Ein zweiter wesentlicher Faktor ist die Herangehensweise Europas im Gegensatz zu z. B. asiatischen Ländern wie China oder Indien. Unternehmen aus diesen Ländern haben auf eine sehr traditionelle Impfstoff-Entwicklung gesetzt, beispielsweise Sinopharm, Bharat, Biotech India. In Europa hat man hingegen sehr moderne Impfstoffe ausprobiert. Diese haben den großen Vorteil einer kürzeren Produktionszeit. Der einzige Nachteil scheint, dass diese Impfstoffe großflächig bis jetzt noch nie ausprobiert worden sind.
Wo liegen die Unterscheidungen bei den verschiedenen Impfstoffen?
Dr. Joachim Seipelt: Die Impfstoffe haben grundsätzlich verschiedene Konzepte. Die von mir gerade angesprochenen asiatischen Impfstoffe funktionieren so, dass man das Virus biotechnologisch vermehrt, inaktiviert, reinigt und dann als Impfstoff verwendet. So auch in Verwendung bei z. B. Kinderlähmungs- bzw. Grippe-Impfstoffen. In Europa und auch Amerika werden Technologie verwendet, bei denen Plattformviren genetisch so modifiziert werden, dass sie eine Immunreaktion gegen SARS auslösen können.
Die zweite wesentliche Gruppe sind die RNA-Impfstoffe2, wie z. B. der von Moderna. Das ist eine Generation von therapeutischen Molekülen, die sehr jung ist, aber eine Reihe von Vorteilen hat. Und wie man jetzt in den in der Presse publizierten klinischen Daten sieht, scheinen diese Impstoffe sehr gut zu funktionieren.
Gehen wir davon aus, dass die Impfstoffe funktionieren. Wie darf man sich einen Zulassungsprozess in Europa vorstellen?
Dr. Joach Seipelt: Im derzeitigen Zulassungsprozess macht die Behörde einen sogenannten „Rolling Review“. Im Normalfall wird gewartete, bis alle Daten vorhanden sind. Mit diesen Daten wendet man sich an die Behörde und die analysiert alle Daten im Gesamten.
Im Falle eines Rolling Review bekommt die Behörde – noch während die klinische Forschung im Gange ist – Daten aus früheren Entwicklungsphasen. Diese kann sie schon reviewen, damit es insgesamt schneller geht. Am Schluss ist es dann „nur mehr“ nötig, die Phase III-Ergebnisse zu begutachten. Momentan sind bei der europäischen Behörde drei Impfstoffe in so einem Rolling Review-Verfahren.
Prinzipiell ist das ein relativ schneller Prozess. Heißt aber schon, dass dieser Review Wochen bis Monate dauern wird. Aufgrund dieses Reviews kann die Behörde einerseits angeben, für welche Bevölkerungsgruppen dieser Impfstoff zugelassen wird. Das ergibt sich aufgrund der Datenlage. Andererseits kann die Behörde zusätzliche Maßnahmen vorschreiben. Zum Beispiel, dass die Firmen zusätzliche Studien durchführen müssen, um bestimmte Informationen aufzuzeigen.
Bezüglich der Sicherheit der Impfstoffe wird gar kein Kompromiss eingegangen. Die Daten werden genauso analysiert wie bei jedem anderen Impfstoff. Da braucht man sich keine besonderen Sorgen zu machen.
Wie hoch muss der Anteil der Bevölkerung sein, der sich impfen lässt, um positive Effekte feststellen zu können? Damit wir beispielweise nicht in einen weiteren Lockdown gehen müssen.
Dr. Joachim Seipelt: Ich glaube, die Effekte der Impfung werden sehr schnell greifen – sofern der Impfstoff ausreichend verfügbar ist. Wie bereits gesagt muss man die angekündigten Dosen der Firmen in Relation zur Bevölkerung in Europa, in Amerika und auf der ganzen Welt sehen. Dann sind die bislang angekündigten Dosen gar nicht mehr so beeindruckend viel.
Man kann erwarten, dass eine gestaffelte Vorgehensweise erfolgen wird. Zuerst werden Risikogruppen geimpft, dann Krankenhauspersonal, Ärzte, Leute die systemrelevant sind. Damit werden schon relativ viele Infektionsketten durchbrochen und man sollte eigentlich relativ bald einen Effekt sehen. Denn: Je schlechter sich das Virus verbreiten kann, umso besser ist es für uns alle.
Für eine wirkliche Durchimpfung und Herdenimmunität, glaubt man zwischen 50 und 60 % der Bevölkerung impfen zu müssen. Ganz genau ist das jedoch noch nicht bekannt. Wir werden jedoch wesentlich früher deutliche Effektive sehen was z. B. die Rate der Todesfälle betrifft. Und auch bei den Neu-Infektionen. Schon durch das Wegfallen einzelner Zwischenglieder der Infektions-Kette, erreicht man einen großen Effekt.
Haben sie Daten vorliegen, wie impfwillig die österreichische Bevölkerung ist?
Dr. Joachim Seipelt: Ja, dazu gibt es Daten. Und da gibt es das österreichische Paradox: Österreich hat eine extrem hohe Impfrate bei der FSME-Impfung (die sogenannte Zeckenimpfung). Da liegt Österreich mit etwa 80 % geimpften Menschen im Spitzenfeld. Dasselbe Österreich sieht sich bei beispielsweise der Grippeimpfung ganz am anderen Ende der Fahnenstange, nämlich bei ungefähr 10 %. Damit sind wir ein Schlusslicht in Europa und betrachten wir die gesamte Welt, liegen wir auch hier sehr weit im Hintertreffen.
Ich glaube es wird wesentlich davon abhängen, wie sicher der Impfstoff ist, wie viele Nebenwirkungen auftreten. Im Idealfall sollen bei einem Impfstoff gar keine oder nur ganz harmlose Nebenwirkungen auftreten. Ist das der Fall glaube ich schon, dass man einen Großteil der Bevölkerung wird impfen können.
Trauen sie sich schon ein exaktes Datum festzulegen, wann das sein wird? Wann wir in Österreich mit den Impfungen beginnen können?
Dr. Joachim Seipelt: Ich denke, es könnte im ersten Quartal des nächsten Jahres so weit sein. Viel schneller, traue ich mich nicht zu sagen. Bei bestimmten Impfstoffen, wie z. B. dem von Pfizer, ist die Logistik nicht so einfach. Dieser Impfstoff muss beispielsweise bei minus 80 Grad Celsius gelagert werden. Bis tatsächlich Impfstoff in nennenswerten Mengen – ich rede jetzt nicht von 1.000 Dosen für Ersthelfer – bei uns landet, das wird schon eine Zeit dauern.
Werden sie sich dann gleich impfen lassen?
Dr. Joachim Seipelt: Wenn der Impfstoff von der Behörde zugelassen ist, würde ich mich jedenfalls impfen lassen.
Viele aufschlussreiche Information von einem Experten der Biotechnologie. Vielen Dank für ihre Ausführungen!
Ist nicht nur das Thema Impfstoff gegen Covid-19 für Sie von Interesse, sondern auch eine Geldanlage im Bereich Gesundheit, empfehlen wir Ihnen unseren Beiträge Gesundheitsaktien: weiter aussichtsreich und oftmals unterschätzt bzw. Telehealth: Die Gesundheitsbranche im Wandel.
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Pharmaforschung
2 https://de.wikipedia.org/wiki/RNA-Impfstoff
Dies ist eine Marketingmitteilung der Raiffeisen Kapitalanlage GmbH, Mooslackengasse 12, 1190 Wien. Stand/Erstelldatum: November 2020
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