100 Tage US-Präsident Biden
Die ersten 100 Tage eines neuen US-Präsidenten werden gemeinhin als ein Indikator für die gesamte Amtszeit angesehen. Wie sich diese 100 Tage von Joe Biden gestaltet haben und welche Schlüsse auf die weitere Entwicklung gezogen werden können, lesen Sie hier!
In diesen ersten Monaten nach der Wahl ist die gerade besiegte Opposition oftmals eher zu Zugeständnissen bereit als später. Möglichst viele Vorhaben wollen auf den Weg gebracht werden. Hier beleuchten wir die ersten 100 Tage des neuen US-Präsidenten vornehmlich aus Sicht der Finanzmärkte und können natürlich nur einige Punkte herausgreifen.
Auch Biden ist für „America First“
„Amerika zuerst“ war und bleibt das Motto. Drei Themen sind es vor allem, die Joe Biden derzeit ganz oben auf seiner Prioritätenliste hat:
- Sichern bzw. Wiederherstellen der globalen Vormachtstellung der USA
- Umstellen der US-Wirtschaft auf nachhaltigeres Wirtschaften
- Besiegen der Covid-19-Pandemie
Dabei sind alle Themen miteinander verwoben. Der dritte Punkt ist kurzfristig am wichtigsten und drängendsten. Das extrem hohe Impftempo ist nicht nur für Bidens Außendarstellung und Umfragewerte gut. Es versetzt die USA zugleich in die Lage, schon sehr bald mit wirtschaftlichem Volldampf die wichtigen Agenden anzugehen. Bei diesen wird es eine gewisse Kontinuität zu Donald Trump geben – trotz aller verbalen Distanzierungen gegen den Ex-Präsidenten.
Biden und die Demokraten führen im Kern Trumps „Amerika zuerst“ und „Mach Amerika wieder groß“- Zielsetzung weiter. Freilich mit anderen Methoden, anderer Rhetorik und deutlich anderen Schwerpunkten.
Biden will Weltmacht Nummer eins stärken
Sowohl die Außenpolitik als auch die großen neuen Ausgabenprogramme sollen die Position der USA als Weltmacht Nummer eins stärken. Hinter dem rasanten Einschwenken Washingtons auf Klimaschutzprojekte und der Rückkehr zum Pariser Klimaschutzabkommen steckt mehr als nur die Sorge ums Klima. Es geht auch sehr stark darum, die Führung in Schlüsseltechnologien zu verteidigen bzw.
zurückzuerobern und sich einen großen Anteil an den lukrativen Zukunftsmärkten zu sichern. Diese werden sich in hohem Maß um umweltfreundliche und ressourcenschonende Produkte und Technologien drehen.
Sowohl der „American Jobs Plan“ (Infrastrukturprogramm) im Umfang von rund 2,25 Billionen US-Dollar als auch die generelle Reorientierung auf umweltfreundlicheres Wirtschaften verfolgen im Grundsatz auch das Ziel, die US-Wirtschaft wettbewerbsfähiger und robuster gegenüber China und anderen Kontrahenten zu machen. Die vielfach erneuerungsbedürftige bzw. unzureichende physische Infrastruktur in den USA ist dabei ebenso hinderlich wie der sich stetig verschlechternde Zustand des US-Bildungswesens.
Gerechteres Bildungssystem
Ob Bidens Plan für den Bildungsbereich funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Aber er ist seit mehr als 50 Jahren der erste ernsthafte Versuch, das amerikanische Bildungssystem gerechter und zukunftsfähiger zu gestalten. Neben physischer Infrastruktur und Bildung geht es beim Infrastrukturprogramm sehr stark um Förderung von Innovationen und Forschung und Entwicklung. Hochtechnologien (wie etwa die Chipindustrie) werden auf absehbare Zeit ein Hauptschauplatz des Kampfes um die globale Vormachtstellung zwischen den USA und China bleiben.
Produktion zurück in die USA
Der „American Jobs Plan“ dürfte im zweiten Halbjahr mit hoher Wahrscheinlichkeit von Senat und Kongress abgesegnet werden. Die wirtschaftlichen Effekte werden in einer Vielzahl von Branchen spürbar sein und sich über mehrere Jahre verteilen. Während das bereits verabschiedete 1,9 Billionen US-Dollar schwere Covid-Hilfsprogramm vor allem heuer wirksam ist, wird der „American Jobs Plan“ in den kommenden Jahren seine Wirkung entfalten. Er zielt auch darauf ab, die US-Wirtschaft unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen. Bereits ausgelagerte Produktion soll zumindest teilweise wieder in die USA zurückverlegt werden – u.a. auch Teile der Microchip-Herstellung. Das würde für künftige Auseinandersetzungen speziell mit China auch größeren Handlungsspielraum eröffnen.
Biden und China
Wie sich Bidens Politik gegenüber China konkret gestaltet, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Eine durchgreifende Entspannung ist aber nicht zu
erwarten und die Drohung von beiderseitigen Eskalationen wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben.
Konflikt mit Iran deeskalieren
Geopolitisch hat die USA aus mehreren Gründen Interesse, den Konflikt mit dem Iran zu deeskalieren und das Abkommen wiederzubeleben. Ein neuer Deal scheint derzeit durchaus möglich, aber ob diese Chance tatsächlich genutzt wird, ist offen. Das spricht für einen weiterhin schwankungsfreudigen Ölpreis.
Biden´s Steuerpläne
Die Steuerpläne Bidens sind bislang nur teilweise bekannt, aber allein durch Neuverschuldung werden die geplanten Programme nicht zu finanzieren sein. Die Senkungen der Unternehmenssteuern der Trump-Ära sollen zumindest teilweise zurückgedreht werden. Für Investoren werden die unmittelbaren Auswirkungen zunächst eher gering sein. Analysten erwarten, dass die bisherigen Gewinnschätzungen für die börsennotierten US-Unternehmen als Folge der bisher bekannten Steuerpläne ab 2022 durchschnittlich um vier bis acht Prozent nach unten revidiert werden müssen. Die Erfahrungen der letzten 60 Jahre zeigen indes, dass erhöhte Unternehmenssteuern für Aktienkurse nur sehr selten dauerhafte negative Auswirkungen hatten.
Einigung auf globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen?
In diesem Zusammenhang ist interessant und auch etwas überraschend, dass die USA jetzt erstmals Interesse daran bekunden, sich weltweit auf Mindestsätze für
Unternehmenssteuern zu einigen und damit einige Schlupflöcher zu schließen. Das höhere Besteuern der Superreichen und von hochprofitablen multinationalen Unternehmen wird zunehmend populär, auch in den USA.
Dieser Trend könnte in den kommenden Jahren weiter Fahrt aufnehmen. Bidens Vorstoß, Kapitaleinkünfte deutlich stärker zu besteuern, geht in dieselbe Richtung und ist durchaus als eine gewisse Überraschung zu bezeichnen, zumindest im derzeit geplanten Ausmaß. Sollte dabei tatsächlich ein koordiniertes Vorgehen der wichtigsten Staaten erfolgen, könnten auch bislang weitgehend unantastbare „Multis“, wie die großen US-Internetkonzerne, spürbar zur Kasse gebeten werden.
Handlungsbedarf im sozialen Bereich
Nachdem in den letzten Jahren eine massive Umverteilung von unten nach oben in den USA (und faktisch der gesamten entwickelten Welt) zu beobachten war, könnte jetzt eine Periode anbrechen, diese Entwicklung zu stoppen oder teilweise wieder umzukehren. Man sollte dabei nicht übersehen, dass die massiven Proteste im
Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung auch sehr viel mit der enormen sozialen Kluft und wachsender Perspektivlosigkeit im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu tun haben und weit über das Thema Rassismus hinausgehen. Die neue US-Administration wird hier etwas tun müssen, sonst laufen die Demokraten Gefahr, Teile ihrer Wählerbasis dauerhaft zu verlieren.
Der von Biden ebenfalls bereits geplante, aber nur in Grundzügen bekannte, „American Families Plan“ enthält daher etliche Sozialmaßnahmen für Familien und soll ebenfalls fast zwei Billionen Dollar umfassen. Ob er verabschiedet wird und wann und in welchem Umfang, ist aber sehr viel unklarer als beim Infrastrukturpaket.
In kurzer Zeit wurden viele Projekte angegangen und Biden scheint, die USA in eine grünere Zukunft mit weniger sozialen Ungleichheiten führen zu wollen.
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