Herdentrieb & Co. – Fallen, in die man gerne tappt
Ist dir das auch schon einmal passiert: Du stößt, z. B. in sozialen Medien, immer wieder auf die Werbung eines bestimmten Produktes. Nach anfänglicher Skepsis wird die Neugierde immer größer, die Stimme immer lauter die meint: „Wenn davon mehrere überzeugt sind…?“ Herzlich Willkommen, auch du bist auf bestem Wege in eine psychologische Falle zu tappen – dem sogenannten Herdentrieb.
Aber was hat es mit dem Herdentrieb und noch weiteren sogenannten psychologischen Fallen auf sich? Und was kannst du im Bezug auf dein Anlageverhalten tun, um diese zu vermeiden?
Anleger:innenpsychologie – was bedeutet das überhaupt?
Im vergangenen Jahrhundert gingen wirtschaftswissenschaftliche Theorien davon aus, dass Menschen in Zusammenhang mit Geldanlage vorwiegend rational agieren. Das bedeutet, man dachte, Entscheidungen werden auf Grundlage von Informationen so getroffen, dass der Nutzen maximiert wird.
Die Realität sieht allerdings anders aus. Daniel Kahneman und Amos Tversky haben mit ihrer Prospect Theory (für dieses Konzept gab es 2002 den Wirtschaftsnobelpreis) aufgezeigt: Das Anlageverhalten wird von kognitiven Verzerrungen (sogenannten Biases) beeinflusst, psychologische Faktoren spielen eine wichtige Rolle.
Auf einige dieser Verzerrungen gehen wir nun in der Folge ein und zeigen Möglichkeiten auf, damit umzugehen.
Die Angst vor Verlusten
Amon Tversky
In der Urzeit war die Sensibilität für Verluste vorteilhafter als die Dankbarkeit für Gewinne.
In der Urzeit ging es um Leben oder Tod – Grund genug, mehr Energie in das Vermeiden des Verlustes (also den Verlust des Lebens) zu investieren, als in einen möglichen Gewinn (z. B. Nahrung).
Und auch wenn diese Zeit lange zurückliegt, das Angstzentrum unseres Gehirns (die Amygdala, ein sehr alter Teil unseres Gehirns) reagiert bei stark negativem Reiz nach wie vor mit einem wichtigen Schutzmechanismus: der Flucht. Genau dieser Schutzmechanismus erklärt die oft panikartigen Wertpapierverkäufe bei z. B. Kursstürzen an der Börse.
Auch ist auf unser urzeitliches Gehirn zurückzuführen, dass (mögliche) Verluste mehr als doppelt so stark wahrgenommen werden, wie (mögliche) Gewinne. Eine Erklärung für die Risikoaversion vieler Anleger:innen.
Wie du mit der Angst vor Verlusten umgehen kannst
- Betrachte deine Geldanlagen gesamtheitlich. Wenn du dich für höhere Wertschwankungen bei z. B. einer Wertpapierveranlagung entscheidest (und somit auch höhere Ertragschancen wahrnimmst), betrifft das wahrscheinlich nur einen Teil deines Gesamtvermögens.
- Fallen die Kurse am Kapitalmarkt, reagiere nicht übereilt. Suche den Kontakt mit deine:r Berater:in und erarbeitet gemeinsam einen sinnvollen Umgang mit der Situation.
Agieren anstatt Innehalten
Werfen wir einen Blick zum Fußball1: Jeweils ein Drittel der Elfmeter wird entweder ins linke Eck, ins rechte Eck oder in die Mitte des Tores geschossen. Die Wahrscheinlichkeit, den Strafschuss zu halten, wenn der Tormann oder die Torfrau auf die richtige Seite springt, liegt sowohl links als auch rechts bei etwa einem Drittel. Im Gegensatz dazu werden rund 60 % der Elfmeter gehalten, wenn die Torhüter:in einfach stehen bleibt und der Ball auch in die Mitte geschossen wird. Somit wäre die Wahrscheinlichkeit einen Elfer zu halten am größten, würde Tormann bzw. Torfrau einfach stehen bleiben.
Warum aber entscheiden sich trotzdem rund 94 % der Torhüter:innen, nach links oder rechts zu springen? Die Mitte des Tores abzudecken wäre doch erfolgsversprechender?
Das Springen in eine der Ecken erweckt das Gefühl des Einsatzes, des Engagements, während das Stehenbleiben als Nichtstun abgetan wird. Und das obwohl das scheinbare Nichtstun selbstverständlich eine bewusste Entscheidung der Torfrau bzw. des Tormannes ist.
Ähnlich verhält es sich beim Anlegen des Geldes: Fallen die Börsen, fällt es oftmals schwer, still zu halten, nichts zu tun. Man ist verleitet, agieren zu müssen, anstatt ruhigzuhalten. Oftmals ist aber genau die bewusste Entscheidung, stehen zu bleiben, die richtige.
Innehalten als Entscheidung
- Für die meisten Anleger:innen bedeutet die Geldanlage in Wertpapiere eine langfristige Investition. Investieren bedeutet – im Gegensatz zum Spekulieren – jedoch, das Geld über mehrere, viele Jahre für sich arbeiten zu lassen. Lies dazu aufschlussreiche Details in unserem Beitrag Behaltedauer: Warum ist die Anlagedauer wichtig?.
- Entwickelt sich deine Investition vorübergehend negativ, besinne dich auf die Überlegungen, aufgrunddessen du dich für eine Anlage in Wertpapieren entschieden hast. In Was dir ein Frühjahrsputz in der Geldanlage bringt findest du Inputs hierfür.
Herdentrieb – der Masse folgen
In der Finanzwelt gibt es einen running gag: Liest du in den Boulevardmedien „Jetzt in Aktien investieren“, ist ein Börsenabschwung möglicherweise nicht weit. Warum? Weil solch eine Empfehlung meist dann erfolgt, wenn die Börsen in der jüngeren Vergangenheit schöne Zugewinne erlebt haben.
Menschen neigen dazu, etwas für richtig zu empfinden, wenn es viele machen oder haben. Man spricht vom sogenannten Herdentrieb. Die Herde, die Mehrheit vermittelt das Gefühl von Sicherheit bzw. die richtige Entscheidung zu treffen.
Folgen nun viele diesem Aufruf, kann es tatsächlich zu einer spekulativen Blase am Finanzmarkt kommen. Negative Entwicklungen und negative Erfahrungen mit der Investition am Kapitalmarkt können die Folge sein.
Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunde berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann.
Sir Isaac Newton
Bewusstes Investieren
- Grundsätzlich spricht eigentlich nichts dagegen, der Herde zu folgen – vorausgesetzt es ist eine bewusste Entscheidung und man hat sich mit dem Thema ausführlich auseinandergesetzt. Ist dem so, sollte ein Börsenabschwung einem dann nämlich nicht überraschen und zum panikartigen Agieren verleiten.
- Investiert man regelmäßig gleichbleibende Geldbeträge in Form von Fondssparen bzw. Fonds-Step-Invest kann man sich in Abschwungphasen bewusst machen, dass in solchen Phasen vergleichsweise günstiger zugekauft wird.
Vorliebe für den Heimatmarkt
Es gibt mehrere Studien die aufzeigen, dass Anleger:innen rund um den Globus mit Vorliebe in Kapitalwerte ihres Heimatlandes investieren.
Der deutsche Aktienmarkt macht im MSCI ACWI (einem globalen Aktienindex) lediglich rd. 2,1 % aus (Stand: September 2023, auf Österreich entfallen rd. 0,08 %). Deutsche Anleger:innen halten auf ihren Depots jedoch etwa 50 % in deutschen Aktien. Dieses Phänomen trifft nicht nur auf Deutschland zu, in anderen Ländern wie Großbritannien, den USA verhält es sich ähnlich2.
Die Gründe dafür können jedoch trügerisch sein: Anleger:innen haben das Gefühl, heimische Unternehmen (besser) zu kennen. Man glaubt, ihnen mehr vertrauen zu können. Oftmals allerdings grundlos. Auch ein gewisser Patriotismus führt dazu, eher eine Anlage in ein heimisches Unternehmen vorzunehmen.
Diversifikation
- Um dieser Heimatliebe in der Geldanlage nicht zu verfallen, macht es Sinn, zumindest einen Teil seiner Wertpapierveranlagung weltweit gestreut zu veranlagen. Mehr Infos zum Thema Streuung erhältst du in Diversifikation: Die Qualität der Vielfalt.
- Möchte man trotz allem in heimische Kapitalwerte investieren, gibt es auch hier die Möglichkeit, in einen breit gestreuten Fonds zu investieren, um am Heimatmarkt sein Geld zu veranlagen.
Urzeitliche Prägung und psychologische Faktoren machen es einem schwer, rational zu agieren. Sich dessen bewusst zu sein, kann dabei allerdings helfen. Und wenn du beim nächsten Mal Gefahr läufst, dem Herdentrieb zu verfallen, wirst du hoffentlich an diesen Beitrag denken!
Quellen:
1 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0167487006001048
2 https://www.weltsparen.de/magazin/home-bias-warum-das-vertrauen-in-den-heimatmarkt-truegerisch-ist/
Dies ist eine Marketingmitteilung der Raiffeisen Kapitalanlage GmbH, Mooslackengasse 12, 1190 Wien. Stand: Jänner 2024
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