Österreich, wie geht es dir?
Unser Land schlägt sich wacker durch die Krise. Im weltweiten Vergleich an Infizierten sind wir bisher mit einem blauen Auge davongekommen. Mit 5,55 Todesfällen pro 100.000 Einwohner1 liegen wir im unteren Drittel. Wie jedoch geht es der Wirtschaft Österreichs in Corona-Zeiten? Warum hat der österreichische Aktienmarkt so stark gelitten? Welche Auswirkungen hat dies auf den Raiffeisen-Österreich-Aktien und wie könnte es in Österreich weitergehen? Fondsmanager Günther Schmitt hat sich mit diesen Fragen beschäftigt und wagt einen Ausblick.
Günther, wie geht es Österreich wirtschaftlich und wie könnte es weitergehen?
Die letzten Wochen geben gerade uns in Österreich Anlass zu Optimismus in Bezug auf die Eindämmung der Pandemie. Der relativ hohe Digitalisierungsgrad in Österreichs Wirtschaft hat uns bisher schon geholfen, besser als viele andere Länder durch die Krise zu kommen, und er wird uns auch künftig nützen. Zugleich werden wir uns wohl darauf einrichten müssen, dass unser gesellschaftliches, soziales und wirtschaftliches Leben nicht so bald in den Vor-Corona-Modus zurückkehren wird.
Etliche Branchen werden länger stark zu kämpfen haben. Andere werden schneller wieder zu einigermaßen normalen Bedingungen zurückkehren. Und dann gibt es Branchen, die auch schon vor der Pandemie in schwierigem Fahrwasser waren. Deren Probleme verschwinden natürlich nicht mit dem Ende der Lockdowns, zum Beispiel die Automobilindustrie.
Warum hat Österreichs Aktienmarkt besonders stark gelitten? Er war ja vor der Krise keineswegs teuer?
Da spielen viele Faktoren hinein. Die drei wichtigsten: Österreich ist ein so genannter „High Beta“-Markt. Das bedeutet, dass er weltweit stattfindende Kursbewegungen meist überdurchschnittlich stark mitmacht. 2016 und 2017 legte die Wiener Börse überdurchschnittlich stark zu, heuer gibt sie stärker nach als andere Märkte.
Zweitens ist Österreich als sehr kleiner Markt für viele internationale Investoren ein „Nebeninvestment“. Wenn diese ihr Risiko reduzieren und Bargeldreserven aufbauen, gehören Märkte wie Österreich zu den ersten, die verkauft werden. Drittens sind im ATX2 jene Branchen besonders stark vertreten, die unter der Krise überdurchschnittlich leiden wie zum Beispiel Banken und Stahlproduzenten sowie auch Unternehmen wie die OMV.
Die Pandemie und die Wirtschaftskrise sind extrem schnell über uns alle hereingebrochen. Hattest du überhaupt Zeit zu agieren?
Das Zeitfenster war tatsächlich sehr klein, aber ich habe es nach besten Kräften genutzt. Ich habe beispielsweise den Catering-Spezialisten Do & Co noch zu vergleichsweise hohen Kursen verkauft, als andere Marktteilnehmer die Situation offenbar noch als weniger dramatisch einschätzten. Im Fondsportfolio des Raiffeisen-Österreich-Aktien sind Finanzwerte, Öl- und Stahlunternehmen deutlich weniger vertreten als im breiten Markt oder im ATX. Ich habe versucht, entsprechend mehr in defensivere Werte oder die leider noch immer recht überschaubare Palette an Technologieaktien am österreichischen Markt zu investieren. Klar ist aber auch: Wenn alles fällt, fällt auch der Fondswert. Je besser es mir aber gelingt, weniger stark mit dem Fonds zu verlieren als der Gesamtmarkt, umso mehr Wert schaffe ich dadurch langfristig für die Fondsanleger.
Wie machst du das eigentlich in diesen Tagen?
Ich manage den Fonds seit über vier Wochen von daheim. Fast alle Kolleginnen und Kollegen arbeiten derzeit im Home-Office. Bislang funktioniert das hervorragend. Auch Gespräche mit Analysten und Unternehmen finden derzeit nur mittels moderner Medien statt. Die Regulierungsbehörden haben der Investmentfondsbranche schon seit längerem auferlegt, sich für etwaige Notfälle zu wappnen. Es hilft uns jetzt, dass wir unsere Vorkehrungen dafür gewissenhaft getroffen haben.
Die aktuelle Wirtschaftskrise ist einerseits schwerer als jene von 2008/2009, doch anders als damals ist der Finanzsektor heuer nicht Auslöser und nicht im Zentrum des Geschehens. Warum sind die Bankaktien dennoch so stark gefallen?
Das Bankgeschäft leidet immer in Rezessionen. Die Kreditnachfrage sinkt und es fallen mehr Kredite aus bzw. es müssen höhere Rückstellungen für etwaige Ausfälle gebildet werden. All das schmälert die Gewinne.
Aktuell kommt noch etwas hinzu: Der politische und gesellschaftliche Druck auf den Bankensektor ist sehr groß, Unternehmen in dieser schweren Krise mit sehr günstigen Krediten zu unterstützen. Die Intention dahinter, nämlich möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, ist natürlich verständlich und zu begrüßen. Andererseits zwingt man die Banken damit aber dazu, zusätzliche Risiken einzugehen. Keineswegs untergehen darf aber dabei ein großes Positivum: Österreichs Banken sind sehr viel stärker und besser aufgestellt als noch vor einem Jahrzehnt. Jedweder Ausblick steht und fällt natürlich mit dem weiteren Verlauf der Pandemie und den Gegenmaßnahmen zu ihrer Eindämmung.
Was bedeutet das für den österreichischen Aktienmarkt?
Positives und Negatives. Als kleinerer High-Beta-Markt könnten sich Österreichs Aktien kräftiger erholen als andere Börsen. Zugleich werden jene ausländischen Investoren, die den österreichischen Markt verlassen haben, wohl erst nach und nach zurückkehren. Öl- und Stahlwerte werden auch einige Zeit benötigen, bis ihr Geschäft wieder ins Laufen kommt, selbst wenn die Weltkonjunktur wieder anspringt. Positiv ist zweifellos das Bewertungsniveau: Österreich ist derzeit einer der günstigsten Märkte. Ebenso könnte uns helfen, dass Osteuropa bislang vergleichsweise gut durch die Corona-Pandemie navigiert ist – jedenfalls deutlich besser als etwa Italien, Spanien oder Frankreich. Wenn sich Ost- und Zentraleuropa entsprechend schneller wirtschaftlich erholen, werden Österreichs Unternehmen und der Aktienmarkt davon ebenfalls profitieren.
Und wenn sich eine volkswirtschaftliche Normalisierung erst viel später einstellt als derzeit erwartet?
Dann haben die Aktienkurse sicherlich noch weiteres Abwärtsrisiko.
Abschließende Gedanken, die du aktuellen und künftigen Fondsanlegern auf den Weg geben möchtest?
Das aktuelle Umfeld ist historisch beispiellos. Es gibt keinerlei Präzedenzfälle, Modelle oder Erfahrungswerte und entsprechend vorsichtig sollte man sämtliche Prognosen aufnehmen. Das gilt für positive wie für negative Vorhersagen! Dennoch: Der Himmel wird aller Voraussicht nach auch diesmal nicht einstürzen und die Welt morgen nicht enden. Das passierte auch nicht bei der wesentlich schlimmeren Spanischen Grippe vor rund 100 Jahren. Und heute stehen uns ungleich bessere Möglichkeiten im Gesundheitswesen, bei Biotechnologie und Impfstoffentwicklung zur Verfügung. Auch Notenbanken und Regierungen können ganz anders gegensteuern als damals.
Basierend auf unserem heutigen Wissensstand und ausgehend von den aktuellen Bewertungen bin ich optimistisch für österreichische Aktien für das kommende Jahrzehnt und darüber hinaus. Nicht zu vergessen: In den zurückliegenden 40 Jahren waren Staatsanleihen eine starke Konkurrenz zu Aktien, wenn man sich die Erträge anschaut. Für die kommenden 40 Jahre stellt sich diese Frage angesichts von Null-Renditen bei Staatsanleihen gar nicht mehr. Es ist wichtig, immer die langfristige Perspektive bei Aktieninvestments im Auge zu behalten und sich nicht von Tagesmeldungen treiben zu lassen.
Danke, Günther, für das Gespräch!
Interessantes über Aktien, die in Österreich gemanagt werden, finden Sie im Beitrag Aktienfonds aus aller Welt – gemanagt in Wien.
1 Quelle: John Hopkins University, orf.at, Stand 21.4.2020
2 Der Austrian Trade Index (ATX) ist der bedeutendste Aktienindex Österreichs. Im ATX enthalten sind die Aktien der 20 größten österreichischen Unternehmen mit Börsennotierung.
Dies ist eine Marketingmitteilung der Raiffeisen Kapitalanlage GmbH, Mooslackengasse 12, 1190 Wien. Stand/Erstelldatum: April 2020
Die nachfolgenden Einschätzungen und Positionierungen stellen eine Momentaufnahme dar und können sich jederzeit und ohne Ankündigung ändern. Sie sind keine Prognose für die künftige Entwicklung der Finanzmärkte oder für den Raiffeisen-Österreich-Aktien.
Ein Investmentfonds ist kein Sparbuch und unterliegt nicht der Einlagensicherung. Veranlagungen in Fonds sind mit höheren Risiken verbunden, bis hin zu Kapitalverlusten.
Im Rahmen der Anlagestrategie des Raiffeisen-Österreich-Aktien kann überwiegend (bezogen auf das damit verbundene Risiko) in Derivate investiert werden. Der Fonds weist eine erhöhte Volatilität auf, d.h. die Anteilswerte sind auch innerhalb kurzer Zeiträume großen Schwankungen nach oben und nach unten ausgesetzt, wobei auch Kapitalverluste nicht ausgeschlossen werden können.
Die veröffentlichten Prospekte bzw. die Informationen für Anleger sowie die Kundeninformationsdokumente (Wesentliche Anlegerinformationen) der Fonds der Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H. stehen unter www.rcm.at in deutscher Sprache (bei manchen Fonds die Kundeninformationsdokumente zusätzlich auch in englischer Sprache) bzw. im Fall des Vertriebs von Anteilen im Ausland unter www.rcm-international.com in englischer (gegebenenfalls in deutscher) Sprache bzw. in ihrer Landessprache zur Verfügung.
Raiffeisen Capital Management steht für Raiffeisen Kapitalanlage GmbH oder kurz Raiffeisen KAG
Bildquelle: pixabay, RCM